Maikäfer
Frau Maikäfer verführt ihren Gatten mit Alkohol / Vom Lebenswandel eines Kinderlieblings / Totgesungene (Reinhard Mey: Es gibt keine Maikäfer mehr ... ) leben länger.
Von Claus M. Schmidt
Jeder weiß, was so ein Maikäfer für ein Vogel sei. In den Bäumen hin und her fliegt und kriecht und krabbelt er ...
Als Wilhelm Busch vor rund 150 diese Verse zu einem Streich von Max und Moritz schrieb, da waren Maikäfer bei uns noch so häufig, dass sie sich in Massen von den beiden Buben vom Baum schütteln ließen. Heute ist der einst bei den Kindern so beliebte Summsemann in vielen Regionen Deutschlands zur Rarität geworden.
"Es geht mich eigentlich zwar nichts an", sagte der Postbote, der die Eilsendung von der Größe eines Schuhkartons bei Schmidts ablieferte, "aber es würde mich schon interessieren, was da drinnen im Karton krabbelt." Frau Schmidt hielt die Schachtel ans Ohr und war selbst ganz erstaunt, wie es tatsächlich drinnen kribbelte und krabbelte. Des Rätsels Lösung: Sieben Maikäfer waren darinnen. Der Karton gab für das Kratzen ihrer Krallen einen höchst effektiven Resonazboden ab. Die braunen Summsemänner hatten sich nicht etwa in das Päckchen verirrt. Onkel Horst aus Freiburg hatte sie gefangen und zusammen mit ein paar Eichen- und Kastanienblättern als Proviant im Eilpaket seiner Nichte Meike geschickt. Die Achtjährige war begeistert von den Krabbeltieren. Man konnte sie über die Hand und über die Nase laufen lassen, was ganz schön kribbelte. Wie die meisten ihrer Klassenkameraden im Bergischen Land kannte Meike die großen braunen Käfer bisher nur von Bildern. Und natürlich nahm sie am nächsten Morgen ein paar Käfer mit in die Schule und war mit dieser Attraktion der absolut konkurrenzlose Mittelpunkt auf dem Schulhof.
Schade nur, dass der Brummer, der sich von ihrer Hand in die Lüfte erhob nicht sehr weit kam. Vor den Augen aller endete sein Ausflug in Höhe der Dachrinne des Schulhauses. Dort oben schnappte ein Spatz den Käfer im bräsigen Flug. Anscheinend hatte der Vogel nur auf einen solchen dicken Brummer zum Frühstück gewartet. Für die Kinder war das kleine Naturdrama eine eindrucksvolle Vertiefung dessen, was der Lehrer im Biologie-Unterricht gesagt hatte: Maikäfer sind normalerweise nur in der Dämmerung und nachts unterwegs, wenn die meisten Vögel schlafen. Jetzt wussten sie auch, warum das so ist.
Kinder waren immer schon fasziniert von den großen Käfern, die es nur einmal im Jahr und dann auch nur für vier Wochen gibt. Kein halbes Jahrhundert ist es her, dass sie sich in großer Zahl von den Bäumen schütteln ließen. Wie in einem Streich von Wilhelm Buschs Max und Moritz, die ihrem Onkel Fritze mit der Zipfelmütze einige hundert Krabbler ins Bett schmuggelten. Die Kinder von einst waren Experten, kannten helle Formen, die wie von Mehl überpudert waren - die "Müller" und die dunklen "Schornsteinfeger" mit riesigen Fühlern, die wie Bürsten aussahen. Im Tausch musste man einige Müller und Schornsteinfeger für den "Kaiser" hergeben. Der zeichnete sich durch rötliche Farbe aus, war selten und so etwas wie die "Blaue Mauritius" in den Kreisen der kleinen Käferfreunde.
Doch die Erwachsenen zählten nicht gerade zu den Käferfans. Da die Raupen des Maikäfers, die Engerlinge an den Wurzeln von Obstbäumen nagten, wurden sie von Landwirten als Schädlinge verfolgt und schließlich auch chemisch bekämpft. So konsequent und erfolgreich, dass die Art bei uns beinahe ausgestorben wäre. Was in den 70er Jahren Liedermacher Reinhard Mey zu dem traurigen Lied anregte: "Es gibt keine Maikäfer mehr."
Ein verfrühter Abgesang - denn nach dem Verbot verschiedener Insektengifte darf Summsemann ein Comeback feiern. Regional hat er gar schon wieder zu seiner früheren Form zurück gefunden. In manchen Regionen, wie dem milden Südwesten unseres Landes, in Baden, Teilen Hessens, in der Schweiz und im Elsass treten Maikäfer an guten Jahren so häufig auf, dass sie bereits wieder als Plage gelten.
Doch für Kinder ist er ein Geschenk. In den Maikäfergebieten gehört es im Wonnemonat einfach dazu, die prächtigen, rund drei Zentimeter großen Krabbeltiere für ein paar Tage oder Wochen als Hausgenossen zu halten.
Nach einer Jugendentwicklung von 3 bis 5 Jahren, die sie als Engerling im Boden verbringen, krabbeln pünktlich zum Maibeginn die fertigen Käfer aus dem Boden, breiten die Flügel aus und suchen einen Baum auf. Dort halten sie sich tagsüber verborgen unter Blättern auf.
Nachts sind sie aktiv und fressen die jungen Blätter. Mit einem raffinierten Trick locken die Weibchen Männchen an: Sie wandeln Blattsäfte zu einem alkoholähnlichen Duftstoff um, der die Männchen aus großer Entfernung unwiderstehlich anlockt. Dringt der Duft an die Fühler des Männchens, so folgen sie ihm wie ferngesteuert bis zum Ziel. Nach der Befruchtung legt das Weibchen rund 60 Eier in den Boden. In vier bis fünf Jahren ihre Nachkommen wieder einige Kinder begeistern.
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animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
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