Klapperschlangen werden stärker
Von wegen schlappe Klapper / Die neue Klapperschlange hat tödliche Gifte / Evolution zum Zuschauen / Wie ein natürliches Wettrüsten zwischen Räuber und Beute eine bislang harmlose Schlange zur tödlichen Gefahr werden läßt .
Von Claus M. Schmidt
Schicke Stiefel und Gürtel aus dem Leder von Klapperschlangen gehören zum Lebensstil im Süden und Westen der USA. In Orten, wie dem texanischen Sweethart wird noch immer das jährliche Rattlesnake-Roundup durchgeführt. Ein Wettkampf, in dem es darum geht, wer von den harten Burschen die tagsüber ausschwärmen, um Schlangen zu greifen, am Abend mit den meisten und den größten Reptilien zum Show-Messen kommt.
Doch nun schlagen die Klapperschlangen zurück. Erstes und prominentestes Opfer: Ein Prediger in Alabama. Der Baptist mit Sinn für Show-Effekte wollte seiner Gemeinde die Festigkeit seines Glaubens demonstrieren. So ließ er sich am Altar vor aller Augen von einer Klapperschlange beißen. Als er die Augen verdrehte und nach Luft rang, da war seine faszinierte Gemeinde noch immer fest im Glauben, es handele sich um eine der üblichen Vorführungen, wie sie in Fundamentalistenkreisen des Bible-Belt an der Tagesordnung sind. Doch zehn Minuten später war der Prediger tot.
Nicht nur für den gläubigen Mann war das erstaunlich. Gehörte doch das eingesetzte Reptil zu einer der 70 im Land verbreiteten Unterarten der Klapperschlange, die als nicht gefährlich für den Menschen gilt.
Die Geschichte der Klapperschlangen-Unfälle in den USA zeigt, das unter 500 gebissenen nur einer an dem Gift stirbt. Zu den schlimmeren Folgen gehören Verluste einzelner Zehen oder Finger. Potente Gegengifte, die aus Pferdeserum gewonnen werden, konnten, bei rechtzeitigem Einsatz, die Wirkung des Schlangengifts in Zaum halten.
Doch nach dem überraschenden Hinscheiden des Geistlichen in Alabama kommen weitere Hinweise auf die zunehmende Gefährlichkeit der Klapperschlange auf. Die üblichen Seren helfen nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr in der gewohnten Dosierung. Diese Erfahrung machten Ärzte, die einen jugendlichen Schlangensammler in Kalifornien und einen Armeeangehörigen in Florida gerade noch retten konnten. Erst mit der fünffachen Dosis an Serum gelang es, die beiden Fälle, bei denen zehn bis zwölf Minuten nach dem Biss die Atmung ausgesetzt hatte, ins Leben zurück zu rufen. „Während bisher vier bis fünf Ampullen vom Gegengift reichten“, so Giftexperte Dr. Steve Grenard vom Staten Island University Hospital, „müssen wir heute 30 bis 70 Ampullen für jeden Schlangenbiss einsetzen.“
Kein Zweifel – das Gift der Klapperschlangen ist stärker geworden. Amerikaner, die sich draußen herumtreiben müssen jetzt nicht nur auf die berüchtigte Mojave Klapperschlange und die Mokassin-Schlange achten – jede x-beliebige Klapperschlange kann heute schon tödlich sein.
Biologen der Universität Davis in Kalifornien sind dem Phänomen schon länger auf der Spur. Sie beobachten eine zunehmende Resistenz der Präriehunde und Grauhörnchen, der Hauptbeutetiere, gegen das Schlangengift. Ihr Organismus hat ein eigenes Enzym entwickelt, das die Wirkung des herkömmlichen Schlangengifts matt setzt. In einer Art von biologischem Wettrüsten verändern und verstärken die Schlangen nun ihr Gift. Für Schlangenexperten John Lowland-Smith ein hoch interessanter Prozess: „Wir haben die seltene Gelegenheit, der Evolution über die Schulter gucken zu dürfen.“
Rubrik |
animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
Dok. Autor |
(c) animal-press |
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