Feldhamsters Erntezeit
Pralle Taschen zum Sommerschluss © animal.press
„Die Erde ist aller Wesen Erhalterin, sowohl des Menschen, der sie bebaut, als des Hamsters, der sie durchwühlt.“ Schrieb ein Freund Goethes, der Arzt und Naturforscher Friedrich Gabriel Sulzer in seiner „Naturgeschichte des Hamsters“. Und lenkte damit das Interesse großer Geister auf ein fast unbekanntes
Wesen unserer Heimat
Von Claus M. Schmidt
Seine Schatzkammer liegt im Verborgenen. Fast einen Meter tief im Lößboden unter dem Feld versteckt. Gegen Ende des Sommers hat der Feldhamster hier seine Ernte eingefahren – goldenen Weizen, trockene Luzerne, Knospen, Samen, Hafer. Wie ein Dieb war er nachts unterwegs und den Schatz Korn für Korn, Knospe für Knospe und Halm für Halm auf dem Feld gesammelt und in den Backentaschen verstaut. So voll, bis der kleine Nager aussah, als litte er unter einer überdimensionierten Mumps. Ein ums andere Mal ist er mit prallen Backen unter Tage gestiegen, in seine Höhle an deren Ende sich als größter Raum die Vorratskammer öffnet. Mit den Vorderpfoten streift er seine neue Ernte an Feldfrüchten aus den praktischen Taschen, die sich von den Knopfaugen über das vordere Körperdrittel dehnen und stapelt sie hier säuberlich.
Zwiti: Des Sommers ganze Fülle
Ende August hat er drei bis vier Kilo zusammen gehamstert. Beruhigt kann er seinen Schlaf genießen. Bis zum Frühling zieht ihn nichts nach draußen. Mit dem Winterspeck, den er sich über die vergangenen Wochen der Fülle auf seinem Feld anfuttern konnte und seiner gut gefüllten Vorratskammer kann er sich schon Ende August zum Winterschlaf hinlegen. Manchmal wacht er auf, wenn der kleine Hunger kommt und bedient sich an seinen Vorräten. Treibt ihn ein anderes Bedürfnis aus dem Schlaf, so erledigt er das in einer Toilette, die er vorsorglich in seinem Bau angelegt hat.
Der Bau ist ausgeklügelt und seit Generationen bewährt. Er bietet seinem Bewohner alles: Vorratskammer, Toilette, Schlaflager, Weibchen legen dazu noch ein Kinderzimmer an, das sie vor der Niederkunft weich auspolstern. Sanft ansteigende Ausgänge in verschiedene Richtungen und einige Fallröhren verbinden den Bau mit der Außenwelt. Die Fallröhren sind eine Hamsterspezialität. Sie führen über 40 bis 50 cm senkrecht nach unten. Es sind sozusagen seine Noteingänge in die er schwuppdiwupp flüchten kann, wenn ein Hund, Fuchs, Greif oder Marder ihm an den Pelz will. Dann geht‘s einfach kopfüber in die rettende Röhre. Sodann im freien Fall, schneller als die kurzen Füße den gemütlichen Körper tragen könnten, in die Burg. Eine Menge Arbeit steckt in dem Bau. Aber es lohnt sich für den knapp 500 Gramm Bauherren. Wer ihm hier zu nahe kommt, der muss sich mit scharfen Nagezähnen anlegen.
Zwiti: Die Ruckzuck-Kinderstube
Aber nicht nur Feinde hält der Hamster aus seiner Burg fern – Freunde kennt der Einzelgänger nicht und ein Gatte aus der Nachbarschaft darf den Bau des Hamsterweibchens nur zweimal pro Jahr besuchen. Um unmittelbar nach der Paarung unter Bissen und Fauchen wieder vertrieben zu werden. Vier bis zwölf Junge kommen nach einer Tragzeit von 20 Tagen zur Welt. Die durchlaufen ihre Kinderstube im Eiltempo, sind mit etwa zwei Wochen schon entwöhnt und im Alter von drei bis vier Wochen verlassen sie den mütterlichen Bau auf Nimmerwiedersehen.
Für die jungen Hamster beginnt nun eine riskante Wanderzeit. Bis sie einen passenden Bauplatz mit weicher Erde und einem tiefen Grundwasserspiegel gefunden haben sind sie schutzlos. Wenn aber alles passt, Korn, Rüben, Luzerne und Felder in der Nähe sind, buddelt er sich seine Burg wo das Erdreich durch schwere Landmaschinen nicht zu sehr verdichtet ist, in Bahndämmen, Randstreifen, in Feldgehölzen und zunehmend in Gärten. Seiner Heimat bleibt er lebenslang treu. Forscher, die die Lebenswege von Hamstern verfolgten, fanden keinen Bau, der weiter als 700 Meter vom Geburtsort des Bauherrn belegt war.
Infos
Gegenschattierung. Fast alle Tiere sind an der Bauchseite heller als am Rücken. Mit seinem dunklen Bauch bildet der Feldhamster eine absolute Ausnahme.
Volle Hamsterbacken. Die Ernte muß in Sicherheit gebracht werden. Häufig machen Hamster Männchen, um zu sichern. Die Sicht für den Knirps ist im Gras eben nicht sehr weit.
Kurz aber innig ist die Familienzeit der Hamster. Nach drei-vier Wochen sind die Kinder aus dem Bau.
Immer reinlich. Der Bau des Hamsters hat auch eine eigene Toilettenkammer
Rubrik |
animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
Dok. Autor |
(c) animal-press |
Dokument ID |
130004 |
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26KB , DOC |
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